Traditions-Flughafen Lübeck

Wir bitten Sie um Unterstützung in einer für die Zukunft unseres Unternehmens wich­tigen Angelegenheit: Helfen Sie mit, dass der Flughafen Lübeck weiter ausgebaut, und nicht durch Ahnungslosigkeit oder Mutwillen geschlossen wird! Der Flughafen besitzt ein großes, vielfach verkanntes Potential für die Wirtschaft des Nordens, für Wissenschaft und Tourismus – vorausgesetzt, er wird nicht unentwegt ausgebremst.

Lübeck ist eine weltbekannte attraktive Stadt, in der ein Unternehmer gerne seine Zelte aufstellt – aus touristischer Sicht erste Wahl. Eine der Attraktionen Lübecks ist auch die Universität, aus der heraus sich eine neue Wachstumsbranche entwickeln konnte, die Medizintechnik. Sie hat das Wegbrechen anderer Industriezweige kompen­siert und bietet eine sinnvolle Ergänzung zu Landwirtschaft und Tourismus. Die Lübecker Hochschulmedizin zu schließen wäre eine Dummheit gewesen, man hätte Vertrauen verspielt, manche auf die Universität angewiesene Firma vertrieben oder Neugründungen verhindert.

Ein Technologie-orientiertes Lübecker Wirtschaftsunternehmen ist allerdings durch die Randlage der Hansestadt und die geringe Besiedlungs­dichte der nördlichen Flächenstaaten schwer benachteiligt. Die Geschäftspartner sitzen nicht gleich um die Ecke, wie bei der Konkurrenz in Regionen um München, Stuttgart, Frankfurt oder Köln, sondern regional weiträumig verteilt. Da sind wir, mehr als der Süden, auf Au­tobahnen angewiesen, möglichst ohne Tempolimit, und wir brauchen eine vernünf­tige Anbindung an den internationalen Flugverkehr, um Schritt zu halten. Deshalb wäre es aus unserer Sicht heute ebenso unsinnig, den Lübecker Flughafen dicht zu machen, wie vor zwei Jahren, die Hochschulmedizin zu liquidieren.

Auf unserem Globus entwickeln sich mit hoher Dynamik große neue Industriezen­tren, allen voran in China, Indien, Brasilien und in den Golfstaaten. Überall wo heute in der Welt „die Post abgeht“, richtet man zu allererst einen Flug­hafen ein. Man könnte sich die rasante Entwicklung in Schanghai, Peking oder Dubai ohne Flugha­fen nicht vorstellen. Und ein Unternehmen, das weit ab vom Schuss im Norden Deutschlands seinen Sitz hat, und über keine vernünftigen Flugverbindungen verfügt, hat es schwer, sein Wachstum zu organisieren. Man muss Firmen und Hoch­schulen im Süden Deutschlands und im Ausland zügig erreichen können, an Kon­gressen teilnehmen und Kunden besuchen. Wir warten seit Jahren auf direkte Flug­verbin­dungen zwischen Lübeck und den großen Drehscheiben Frankfurt, Mün­chen, Amsterdam oder Kopenhagen, und beneiden schon seit langem unsere Konkur­renz im Süden Deutschlands, die mit leistungsfähigen Flughäfen gesegnet ist.

Schleswig-Holsteins Startbahn befindet sich nicht in Fuhlsbüttel! Ich vermisse auch bei der neuen Regierung unternehmerisches Denken und gesunden Men­schenverstand. Da wünschte ich mir eine Koryphäe aus der Wirtschaft an die Spitze, und nicht einen Verwaltungsfachmann. Jemanden, der die Chancen im Blick hat, die der Lübecker Flughafen bietet, wenn er nur zum Zuge käme, und nicht das Einspar­-Potential, wenn man ihn schließt. Der sich nicht vor zwei Millionen Euro Anfangsver­lusten im Jahr fürchtet, weil man später mit Hilfe des Flughafens hundert Millionen verdienen könnte. Der die Tradition achtet und nicht ideenlos unser Poten­tial ver­nichtet. Vor ein paar Jahren hat jemand in Augsburg beim Aufräumen ein ver­komme­nes Bild auf dem Speicher gefunden und es zum Trödelmarkt gebracht. Ein cleverer Sammler hat es zufällig entdeckt und erworben. Er zeigte es einem Sachver­ständigen, und siehe da, es war ein Caspar David Friedrich. Das Gemälde wurde von fachkundiger Hand restauriert und bei Sotheby‘s versteigert, für 1,5 Millio­nen Dollar. Eine ähnliche Karriere wünsche ich dem Lübecker Flughafen – dass endlich auch die Politik den ideellen und den ökonomischen Wert dieses Traditions-Flughafens erkennt und ihn zum Nutzen der Region ordentlich ausbaut.

Vor ein paar Jahren wurde über ein anderes Verkehrsprojekt heftig diskutiert: Die Ostseeautobahn A20. Der Grönauer Bürgermeister und andere kluge Köpfe haben uns geweissagt, dass sich der Bau nicht rentieren würde. Wenn man aber heute bei Hornstorf auf der Autobahnbrücke steht und die vielen Autos die Strecke passieren sieht, freut man sich über die gelungene neue Ost-West-Verbindung – sie hat nicht nur den bestehenden Verkehr wesentlich erleichtert, sondern auch für einen zusätzli­chen intensiven Austausch zwischen den beiden Nordstaaten gesorgt. Die Städte sind zusammengerückt. Zwei Lehren ziehen wir aus dem Erfolg der Ostseeautobahn: 1. Man soll nicht auf notorische Pessimisten hören. Und 2., im Hinblick auf den Lübecker Flug­hafen: Erst das Angebot schafft die Nachfrage! Jetzt fordern wir wegen der Rand­lage des deutschen Nordens noch ein paar gute Flugverbindungen, um von Lübeck aus alle Destinationen der Welt ansteuern zu können – wieder gegen den Rat des Grönauer Bürgermeisters: Ein Indiz für die gute Prognose des Flughafens.

Wer heute aus Richtung Lübeck einen Flieger in Fuhlsbüttel erreichen will, muss erst einmal bis Hamburg kommen und dann die Stadt auf engen Straßen durchqueren. Man hat ausreichend Reservezeit einzuplanen, besonders wenn es gilt, einen wichti­gen Anschlussflug in Frankfurt oder München rechtzeitig zu erreichen. Da steht man morgens um Fünf auf und ist dann teilweise einen halben Tag unterwegs, um nach­mittags rechtzeitig um Drei in der Maschine nach New York zu sitzen. Noch größer ist die Tortur für unsere Brüder und Schwestern im benachbarten Osten: Wer in Wismar oder Grevesmühlen wohnt, ist doch heute praktisch von der großen Welt abge­schnitten! Es wäre daher dringend geboten, dass Lübeck im Verbund mit Rostock einen Flugver­kehr zu mehreren Großflughäfen organisiert. Eine Integration unserer Region in den Weltflugverkehr ist vielleicht für den Privat- oder Verwaltungsfachmann nicht so wichtig, der ein oder zwei Mal jährlich in Urlaub fliegt. Er könnte ruhig ein paar Stunden extra für den Umweg über Hamburg einplanen. Aber ein modernes Wirtschaftsunternehmen braucht bessere Flugverbindungen.

Unsere Startbahn ist Fuhlsbüttel, sagt der Verwaltungsfachmann. Er will uns in die zweite Reihe stellen. Jedenfalls soll es Lübeck nicht besser haben als Kiel! Natürlich ist Lübeck keine führende Weltstadt mehr wie vor 500 Jahren. Aber das ist der springende Punkt: Je mehr sich die Stadt aufgibt, umso tiefer wird sie in der Bedeu­tungslosigkeit versinken. Verbinden Sie zwei ungleichgroße Seifenblasen mit einem Strohhalm: Die große Blase wird aus der kleinen die Luft heraussaugen. In Lübeck wurden die meisten gehobenen Einrichtungs- und Kleidungsgeschäfte geschlossen, exquisite Produkte sind nur noch in Hamburg zu bekommen. Wo es sich lohnt, greift Hamburg zu, und nimmt der Stadt Husum die Windrad-Messe weg. Die Karriere eines ehrgeizigen Wissenschaftlers setzt internationale Vernetzung voraus, da zieht ein frisch ernannter Ordinarius für Gynäkologie doch lieber gleich noch einmal von Lübeck nach Frankfurt um, von wo aus er mit der wissenschaftlichen Society viel einfacher Verbindung halten kann. Dass die EUROIMMUN AG sich in Lübeck angesiedelt hat, ist allein historisch bedingt und nicht dem Standort am Ende der Welt geschuldet: Der Gründer hat das Unternehmen aus der Lübecker Universität heraus entwickelt und war auf bestehende Kooperationen angewiesen, eine Verlegung des Firmensitzes in eines der Wirtschaftszentren Deutschlands hätte die Kontinuität und den Bestand der Firma gefährdet. Wenn ein Kunde, Bewerber, Investor, Lieferant oder Vertriebsagent erst Hamburg anfliegen muss, um dann nach Lübeck weiter zu reisen, sind wir Lübecker gnadenlos im Hintertreffen: Er kann bei unserer Konkurrenz in Hamburg seine Ziele schneller erreichen und ist am selben Tag bequem wieder zu Hause. Dafür müssen wir als Lübecker Firma büßen: Wir machen Preisnachlässe, organisieren den Transfer und bezahlen dem Kunden oder Bewerber Mietwagen und Hotel. Das Projekt Metropol­-Region ist ohnehin leeres Stroh, viel Lärm um nichts, völlig unnötig, besser sollten Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern einen gemeinsamen Nordstaat gründen, um sich zu behaupten, ihre Interessen liegen näher beieinander, und sie würden Verwaltungskosten sparen.

Welchen Nutzen könnte uns der Lübecker Flughafen einmal bringen? Die Existenz des Airports wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Hamburger von Lübeck aus zu günstigen Tarifen ihre Ferienziele erreichen – was heute vielleicht die meisten Passagiere bringt. Ob er als Reserve-Startbahn für Hamburg taugt, steht in den Sternen. Zu allererst geht es um die Verbesserung der Reisebedingungen für die Bevölkerung im Osten Schles­wig-Holsteins und im Westen Mecklenburg-Vorpommerns. Dazu brauchen wir die direkte Anbindung Lübecks an mehrere große Flughäfen. Der Touris­mus wird gefördert, und zwar in beiden Richtungen: Wir erreichen unsere Ferien­ziele leichter, und der deutsche Norden wird den Urlaubsgästen besser erschlossen, von hier kommen sie auch direkt auf die Fähre in Travemünde. Die Wirtschaftskraft der hiesigen Industrie wird durch die Erleichterung technischer und wissenschaftli­cher Kooperationen gestärkt. Neue Unternehmen, die auf einen Flughafen ange­wiesen sind, lassen sich nieder. Gesundheits-Tourismus nach Lübeck wird mög­lich: Die Spezialisten der Medizinischen Universität Lübeck können ihre Kunst einem weltweiten Patienten-Publikum anbieten (wer über Fuhlsbüttel einreist, bleibt vielleicht in der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf hängen).

Dass es im letzten Jahrzehnt mit dem Lübecker Flughafen nicht so richtig auf­wärts gegangen ist, hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Anbindung an den Straßenverkehr mit der neuen A20 erst vor kurzem abgeschlossen worden, vorher hatte der Westen Mecklenburg-Vorpommerns keinen rechten Zugang. Vor allem traut sich aber keine Fluggesellschaft, in Lübeck neue Fluglinien einzurichten, weil die Zukunft des Flughafens ständig in Frage gestellt wird. Da gibt es ein paar Aktivisten, die jede Ausbaumaßnahme blockieren, indem sie unsere Gerichte missbrauchen. Die Stadt Lübeck bestimmt eine Person zum Chef des Aufsichtsrats, dessen Ehefrau den Flughafen mit Klagen überzieht! Und die Politiker in Kiel wollen den Fortbestand des Flughafens von einer Finanzierung durch die Stadt Lübeck abhängig machen, die schon seit langem pleite ist – eine Kuriosität, wie wir sie sonst nur von den Schildbürgern her kennen. Kiel stellt Lübeck eine unlösbare Aufgabe, weil man der Schwesterstadt keinen Vorteil gönnt, egal wie hoch der Schaden für das Land ist. Da der Flughafen nur zu einem kleinen Teil der Lübecker Bevölkerung zugutekommt, und viel mehr den beiden angrenzenden Bundesländern, muss der Flughafenbetrieb doch von den Ländern organisiert und bezahlt werden, und nicht von der Stadt Lübeck. Genauso wie Bundesstraßen und Autobahnen in der Region. Der Hafen kriegt meines Wissens auch Unmengen Geld vom Land für den Betrieb.

Werte Politiker in Kiel und in Lübeck: Geben Sie dem Lübecker Flughafen eine Perspektive von mindestens zehn Jahren, besetzen Sie den Aufsichtsrat der Flughafen-Gesellschaft mit Befürwortern, sorgen Sie dafür, dass die Gerichtsverfahren abgeschlossen werden, lassen Sie es zu, dass die Rollbahn verlängert wird, schießen Sie ein paar Jahre lang jährlich 2 Millionen an Landesmitteln für den Geschäftsbetrieb zu und kooperieren Sie mit dem Rostocker Flughafen.

Dann werden Fluggesellschaften kommen und einen Linienverkehr organisieren. Der Flughafen wird in wenigen Jahren kostendeckend arbeiten. Der größte Nutzen wird sich aber nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung der Flughafen-Gesellschaft widerspiegeln, sondern in der Stärkung der Wirt­schaftskraft der Region. Es gibt in Lübeck mehrere Unternehmer, die bereit wären, einen neuen Anlauf zu nehmen und eine Airline zu gründen, die direkt von Lübeck aus mehrere deutsche Großflughäfen anfliegt, damit man von Schleswig-Holstein (Ost) und Mecklenburg-Vorpommern (West) aus Deutschlands Süden und weltweite Destinationen schnell erreichen kann. Auch das Baltikum, Polen und Norditalien sollen bedient werden, um die Flugzeuge außerhalb der Haupt­flugzeiten auszulasten. Voraus­setzung wären aber eine verlässliche Perspektive und vernünftige politische Rahmenbedingungen. Wir werden uns daran beteiligen, obwohl wir mit Reagenzien für die Labordiagnostik mehr verdienen können.

Abschließend will ich Ihnen die Situation unseres Unternehmens verdeutlichen: EUROIMMUN stellt medizinische Labor-Reagenzien her, wir sind zurzeit 1.300 Mitarbeiter, die meisten von ihnen sind in Schleswig-Holstein (Lübeck, Groß Grönau) und in Mecklenburg-Vorpommern (Dassow) beschäftigt. Als modernes, weltweit vernetztes Unternehmen pflegen wir ständigen internationalen Kontakt mit Kunden, Geschäftspartnern und Wissenschaftlern im Inland und im Ausland. Wir leben von Forschung und Entwicklung, richten jährlich mehr als 25 wissenschaftliche Sympo­sien aus und arbeiten mit über 50 Hochschulinstituten zusammen. Unsere Partner müssen uns häufig besuchen, und wir müssen zu ihnen. Wir sind auf das Flugzeug angewiesen und warten seit langem auf neue Direktverbindungen zwischen Lübeck und mehreren europäischen Drehkreuzen des Luftverkehrs.

EUROIMMUN hat einen eigenen Taxifahrer eingestellt, um jeden Monat 50 Gäste aus Hamburg abzuholen und sie wieder hinzubringen. Viele weitere Besucher besor­gen sich einen Mietwagen. Und hunderte Flüge der eigenen Mitarbeiter werden jähr­lich über Fuhlsbüttel abgewickelt. Alles ist so umständlich, dass uns manche gute Gelegenheit einer Kooperation oder eines Geschäfts entgeht, teilweise ohne dass wir es bemerken. Wir sind schnell gewachsen und haben unser Geschäftsvolumen in der Vergangenheit immer wieder alle fünf Jahre verdoppelt. In der ersten Hälfte des lau­fenden Jahres konnten wir eine Umsatzsteigerung um 25% verbuchen, Ende 2012 werden wir 130 Millionen Euro umgesetzt haben. In fünf Jahren wird die Kapazität unserer deutschen Niederlassungen in Lübeck und Dassow ausgelastet sein, dann brauchen wir ein neues Firmengebäude, um 600 bis 1.000 Beschäftigte unterzubrin­gen. Ich werde keine neue Niederlassung mehr einrichten, wo es keinen aktiven Flughafen in unmittelbarer Nähe gibt und sage hier klipp und klar: Sollte Kiel den Lübecker Flughafen schließen, werden wir die nächste große Erweiterung an unse­rem Standort in der Nähe von Dresden realisieren.

 

Quelle: Erschienen als 9-teiliges Inserat in den Lübecker Nachrichten, Juli 2012.

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